Ein Argument gegen Homeoffice, das ich schon gehört habe, lautete sinngemäss: «Aber mir kommen doch regelmässig im Büro wichtige Fragen in den Sinn. Und wenn ich dann eine Frage habe, kann ich jetzt nicht mehr einfach zu ihr hingehen, um eine Antwort zu bekommen.»
Ja, das ist korrekt, das ist eine Folge davon, wenn nicht alle am selben Ort arbeiten. Es ist aber auch gut so, dass das so ist. Wenn Ihnen schon heute klar ist, warum das gut so ist, umso besser. Wenn nicht, dann seien Sie mal ganz ehrlich zu sich: Wie viele Ihrer Fragen, die Sie ihren Kolleginnen und Kollegen oder Ihren Mitarbeitenden über den Tisch hinweg stellen, oder für die Sie urplötzlich vor ihrem Pult auftauchen, sind denn wirklich wichtig und dringend? Wenn Sie etwas nachdenken, werden Sie zugeben müssen, dass das längst nicht alle sind. Und vermutlich sind es sogar nur die wenigsten.
Für die meisten Ihrer Fragen könnten Sie ruhig noch ein paar Stunden oder Tage auf die Antwort warten. Das mag am Anfang unangenehm sein, aber meist stirbt niemand, wenn Sie Ihre Fragen nicht sofort klären können.
Für diejenigen Kolleg*innen, die konzentriert an etwas arbeiten müssen, weil sie in ein Dokument vertieft sind, das komplizierte Fragen behandelt oder die grad einen komplexen Algorithmus programmieren, ist ihre Frage eine Störung. Konzentriertes Arbeiten bedeutet, dass man sich über eine gewisse Zeit, am besten mehrere Stunden am Stück, in eine bestimmte Tätigkeit vertiefen kann. Jeder Telefonanruf und jeder, der sie anquatscht und Fragen stellt, der unterbricht die Konzentration und holt sie aus ihrem Flow raus. Da wieder reinzufinden, kostet Zeit und Energie.
Sie werden feststellen, dass egal welche Studie oder Befragung zum Thema Homeoffice Sie lesen, immer wird eines der Resultate sein, dass die Leute sagen, dass sie im Homeoffice sehr viel konzentrierter Arbeiten können. Sie hören keine anderen Leute neben sich laut telefonieren. Und es gibt sehr viel weniger Leute, die sie ansprechen und in ihrem Flow unterbrechen. Im Homeoffice lässt sich das viel einfacher verhindern, weil die Bürogspänli eben nicht physisch da sind. Und Outlook kann man glücklicherweise schliessen, Chatsysteme auch und in Skype muss man nicht angemeldet sein, um arbeiten zu können – Telefone lassen sich stummschalten. Sie haben zwei Stunden lang kein Meeting? Yeah, dann können Sie zwei Stunden am Stück konzentriert arbeiten! Wann konnten Sie das zuletzt im Büro, wenn alle da waren?
Die Zerstückelung oder Fragmentierung der 8-Stunden-Arbeitstage in furchtbar kleine Einheiten à 10-15 Minuten taugt einfach nicht für effizientes Schaffen. Sie wollen, dass Ihre Leute gute Arbeit liefern? Dann lassen Sie sie konzentriert arbeiten. Das ist mal ein guter Anfang.
Schlagen wir den Bogen zurück zum Anfangsthema: Wenn Sie eine Frage haben, dann haben Sie Geduld. Und warten Sie. Formulieren Sie die Frage schriftlich aus und schicken Sie eine E-Mail, eine Chatnachricht, whatever. Die andere Person wird die Frage dann beantworten, wenn sie Zeit dafür hat. Wenn das einen Tag dauert, dauert es einen Tag. Wenn es zwei oder drei dauert, dann ist das so. Warten Sie. Denken Sie daran: Meist ist Ihre Frage nicht wichtiger als die konzentrierte Arbeitszeit des anderen.
Denken Sie daran: Meist ist Ihre Frage nicht wichtiger als die konzentrierte Arbeitszeit des anderen.
Und wenn die Frage wirklich dringend ist, dann nehmen Sie das Telefon in die Finger und rufen an oder schicken eine Textnachricht aufs Handy und teilen mit, dass es dringend ist.
Sowieso macht es Sinn, dass Sie irgendwie vereinbaren, wie sie mit Kommunikation umgehen wollen. Wie lange darf man eine E-Mail liegenlassen, bis sie beantwortet wird, wie erreichen sich die Kolleginnen und Kollegen in dringenden Fällen und wie geht man mit weniger dringenden Fragen um.
Je nachdem wie wichtig das Wissen von jemandem ist für Ihre Organisation, kann es auch Sinn machen, Zeitslots zu definieren, an denen diese Person für Fragen zur Verfügung steht. Etwa täglich eine bestimmte Stunde oder einmal pro Woche ein Nachmittag. So wissen Sie schon im Voraus, wann Sie antworten bekommen und gleichzeitig hat die Person noch immer genügend ununterbrochene Arbeitszeit zum konzentrierten Arbeiten.
Fazit zum Mitnehmen:
- Sorgen Sie dafür, dass Sie oder ihre Mitarbeitenden gut arbeiten können und ungestörte Zeit zum Arbeiten haben.
- Wenn Sie eine Frage haben, dann stellen Sie sie schriftlich oder zu einem vorher vereinbarten Zeitpunkt. Und bis zur Antwort warten Sie – wenn es nicht wirklich dringend ist.