Am 23.06.2012 setzte ein Schweizer Mann einen Tweet ab, in dem er eine Kristallnacht für Moscheen zu fordern schien. Besagten Tweet hat er kurz nach der Publikation wieder gelöscht. Das Bezirksgericht Uster hat ihn wegen dieses Tweets am 19.05.2014 wegen Rassendiskriminierung für schuldig befunden. Das Zürcher Obergericht hat das Urteil am 27.04.2015 bestätigt. Am 04.11.2015 auch das Bundesgericht schliesslich das Urteil bestätigt. Worum gehts also genau?
Der Tweet vom 23.06.2012 lautete wie folgt:
Vielleicht brauchen wir wieder eine Kristallnacht … diesmal für Moscheen.
Der Twitterer versuchte sich damit zu verteidigen, dass er den Tweet anders abgesetzt habe, nämlich mit einem Zusatz:
Vielleicht brauchen wir wieder eine Kristallnacht … diesmal für Moscheen … damit die Regierung endlich aufwacht
Und er hat den Tweet relativ rasch nach der Publikation wieder gelöscht. Weder das Bezirksgericht, noch das Obergericht oder das Bundesgericht haben diese beiden Punkte gelten lassen. Das Bundesgericht schreibt zum Zusatz in seinem Urteil in Erwägung 2.8:
Der absurde Zusatz (ein NS-Pogrom: damit die Regierung aufwacht) stellt ein Anhängsel dar, das für den durchschnittlichen Beobachter, soweit es überhaupt seine Aufmerksamkeit erlangt, schlicht keinen Sinn ergibt und in keiner Weise geeignet ist, der Aussage des Tweets etwas von ihrem Gehalt zu nehmen.
Und alle drei Instanzen haben ihn schliesslich wegen Rassendiskriminierung und damit wegen Verstosses gegen Artikel 261bis des Strafgesetzbuches verurteilt. Dieser Artikel sagt:
wer öffentlich durch Wort, Schrift, Bild, Gebärden, Tätlichkeiten oder in anderer Weise eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie oder Religion in einer gegen die Menschenwürde verstossenden Weise herabsetzt oder diskriminiert oder aus einem dieser Gründe Völkermord oder andere Verbrechen gegen die Menschlichkeit leugnet, gröblich verharmlost oder zu rechtfertigen sucht, […] wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
In seinem Urteil 6B_627/20125 vom 04.11.2015 führt das Bundesgericht weiter aus, dass der Twitterer sehr wohl um die Bedeutung seines Tweets wusste. Die historischen Fakten rund um die Reichskristallnacht vom 09. auf den 10.11.1938 seien ihm auch bekannt gewesen. Aus den Erwägungen 2.3 und 2.7 des Urteils:
Die Vorinstanz führt das bezirksgerichtliche Urteil zusammenfassend aus, der Beschwerdeführer kenne die historischen Fakten bestens und habe ausgeführt, die Reichspogromnacht habe den Übergang von der antisemitischen Diskriminierung zur systematischen Verfolgung der Juden markiert und schliesslich im Holocaust an den europäischen Juden gemündet. Wer mit diesem Wissensstand in einem Zustand, in dem er sich den Frust vom Leibe schreiben und damit ausdrücklich provozieren wolle, den Satz „Vielleicht brauchen wir wieder eine Kristallnacht … diesmal für Moscheen“ poste, handle im vollen Bewusstsein um die Aussagekraft und die Tragweite seiner offenkundig mit Bedacht gewählten Worte.
und
Von einer lediglich „gedankenlosen“ Äusserung kann angesichts der prägnant formulierten Implikationen des Tweets ebenfalls nicht die Rede sein.
Die Folgen für den Verurteilten
Im Endeffekt gilt nun also das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich SB140436 vom 27. April 2015, was direkt oder indirekt folgende Konsequenzen für den Verurteilten hat:
- bedingte Geldstrafe von 75 Tagessätzen zu CHF 120
- Busse von CHF 1800
- Verfahrenskosten vor allen Instanzen (Bezirksgericht unbekannt, Obergericht CHF 3000, Bundesgericht CHF 2000)
- Prozessentschädigung für zwei Privatkläger in der Höhe von CHF 18010
- sowie schliesslich vermutlich sehr hohe Anwaltskosten für alle Verfahren, die er ebenfalls selber tragen muss
Weiterführende Links zum Urteil
- Blogbeitrag von Konrad Jeker vom 16.11.2015
- NZZ-Beitrag von Katharina Fontana vom 16.11.2015
- Beitrag im Tagesanzeiger vom 16.11.2015
- Urteil des Bundesgerichts 6B_627/20125 vom 04.11.2015
- Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich SB140436 vom 27. April 2015