Offenbar hat sich das Bundesgericht im Frühling 2010 – soweit bekannt erstmals – mit der Frage befassen müssen, ob es während einer öffentlichen Sitzung in seinem Gerichtssaal das Twittern erlaubt. Derjenige, der dem Bundesgericht die Frage stellte, war der Rechtsanwalt Sébastien Fanti aus Sion (www.sebastienfanti.ch). Fanti stellte gemäss seinem Beitrag in medialex 01/2011 vom 25.02.2011 dem Gericht – inhaltlich durchaus passend – im Logistep-Verfahren (1C_285/2009) die (Gretchen-)Frage. Er argumentierte dabei, dass bei einer öffentlichen Verhandlung alle richterlichen Aussagen auch öffentlich seien und das Twittern demnach erlaubt sein müssten.
«[…] si je serai autorisé à relater en direct le contenu des débats sur le site twitter.com. Il m’apparaît prima facie que dans la mesure où les délibérations sont publiques, le fait de twitter les avis de chaque magistrat devrait être autorisé (BGE 134 I 286 consid. 6.1).»
Das Bundesgericht bzw. das Generalsekretariat hatte nach einem kurzen Briefwechsel ein Einsehen und erlaubte das Twittern, solange folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
- Der Laptop oder das Mobiltelefon wird wirklich nur dazu genutzt, einen Text damit zu schreiben und dies stört den Sitzungsverlauf nicht (wahrscheinlich wären lautes Tippen, Tastentöne oder laute Versandbestätigungen störend).
- Es dürfen keine Ton oder Filmaufnahmen gemacht werden (Art. 62 Abs. 1 BGerR).
- Der präsidierende Richter hat das Twittern nicht verboten (was er offenbar darf).
Das Bundesgericht behält sich aber vor, diese Frage ausdrücklich zu regeln, je nachdem, was es für Erfahrungen mit Twitterern in seinem Gerichtssaal macht.
«… à ce jour, le Tribunal fédéral n’a pas réglé expressément la question relative à l’utilisation d’appareils électroniques dans les salles d’audience. Jusqu’ici, les ordinateurs et téléphones portables ont été tolérés, pour autant qu’ils soient utilisés dans le but de rédiger un texte et qu’ils ne dérangent pas le bon déroulement de la séance. Il est toutefois nécessaire de préciser que les prises de vue ou de son sont formellement interdites, cette réserve étant nécessaire compte tenu de la multifonctionnalité de ces appareils. Aussi longtemps que ces conditions seront respectées et que le juge qui préside l’audience n’ordonne pas le contraire, rien ne s’oppose à l’utilisation de Twitter. Nous nous réservons toutefois de régler expressément cette question à l’avenir, sur la base des expériences qui seront faites…»
Am Tag der öffentlichen Verhandlung, dem 08.09.2010, haben schlussendlich mehrere Personen effektiv aus dem Gerichtssaal heraus den Prozess mit Tweets begleitet. Unter ihnen auch @sebastienfanti. Man darf gespannt sein, wie es weitergeht, sprich: ob es dazu kommen wird, dass ein Richter in einer öffentlichen Verhandlung das Twittern verbietet oder – was zu wünschen wäre – das Bundesgericht seine Reglemente um einen Passus zur textlichen Live-Berichterstattung ergänzt.
Cool! Vielleicht steckt ein Digital Native dahinter…
Könnte sein, ja. Kenne ihn nicht persönlich.
Gruss, Nils